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Ihren Code bitte

Wie weit sollen Rationalisierung und Digitalisierung gehen? Um keine geringere Frage als diese geht es heute …


Walter ist Chauffeur, Lastwagen-Chauffeur – und zwar seit über 40 Jahren für die gleiche Spedition. Kommt noch dazu, dass er fast ausschliesslich nachts fährt, um Baustellen mit dem Material-Nachschub zu versorgen. Er fährt, wenn die meisten anderen schlafen und er schläft, wenn die meisten anderen arbeiten. Um das so lange so gut zu machen, braucht es vor allem eins: die richtige Einstellung.

Früher kannten sich alle und die Stimmung war sehr persönlich. Wenn der Sattelzug Schwächen zeigte, rief er sogar mal den Geschäftsführer an. Den sieht er heute nur noch bei Betriebsversammlungen. Seinen Disponenten sprach er regelmässig persönlich, bis die Mobilfunksiegeswelle begann. Und den Personalchef kannte er sowieso. Wenn sie miteinander sprachen, war dieser nicht vor allem Personalchef und er, Walter, war nicht vor allem Chauffeur. Sie sprachen unter Kollegen und kaum etwas wurde zum richtigen Problem.

Und heute? Wenn Walter heute eine Frage an die Personalabteilung hat und dort anruft, spricht er mit einem Computer. Dieser will ihn zunächst identifizieren und dann seiner Frage entsprechend zuteilen. So startet jeder Anruf in die Personalabteilung, indem Walter seinen Mitarbeitercode nennen muss: nicht zu schnell und nicht zu langsam. Und sein Code ist nicht gerade einfach, schliesslich muss ja alles so sicher sein, wie früher Fort Knox nur davon träumen konnte. Und jedes Mal, wenn er den Code nennt, verliert er bereits jede Lust auf das Gespräch. Wissen Sie, was mir dazu einfällt?

ICH WÜRDE DAS NICHT MACHEN! Ich weiss, Spediteure jammern oft über die geringen Margen und wie sie endlos unter Druck stehen. Aber meine Fahrer und Fahrerinnen dürften auch heute in 10 Jahren noch in eine Personalabteilung anrufen, in der jemand ans Telefon geht.

Ein leicht nachdenklicher Wochenendgruss,

Jörg Neumann

joerg@nzp.ch


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